Freitag, 15. April 2005
Bücherwelten
Jörg Petermann fragte vor einiger Zeit, wann sich der Kauf eines Buches lohnt und etwas später stellte er ein Buch über Kreative Ideen vor. Es scheint, als ob nicht nur ich eine Schwäche für Bücher habe.
Bücher sind für mich ein unverzichtbarer Bestandteil des Alltags. Ich liebe meine Bücherregale und wenn ich in der Stadt einmal die Straßenbahn verpasst habe, rettet mich eine ausreichend große Buchhandlung problemlos über eine halbe Stunde Wartezeit—oder bis zur übernächsten Bahn. Ich bin immer wieder aufs Neue fasziniert davon, was Wörter auf Papier bewirken können.
Sachbücher lassen mich Ideen und Phänomene verstehen, von denen ich vor der Lektüre oft nichts geahnt habe. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist Guns, Germs, And Steel von Jared Diamond. Dieses Buch erklärt schlüssig die ungleiche Verteilung des Wohlstandes auf der Erde—ein Thema, das größer kaum sein könnte und zu dem man nicht leicht Antworten findet. Jared Diamond schafft es, dem Leser eine Vorstellung zu geben. Mit Worten auf Papier, nur durch einige wenige Illustrationen und Karten unterstützt.
Romane ziehen mich hinein in ihre Welt. Das Buch liegt auf dem Tisch, nichts als Wörter auf Papier. Doch wenn ich es aufschlage und darin lese, ist das wie das Aufsetzen der 3D-Brille im IMAX Kino: die gesamte Welt des Buches, ihre Charaktere, die Landschaft, die Stimmung bauen sich augenblicklich auf und werden nahezu real. Ein Paradebeispiel ist für mich “Der Herr der Ringe” von Tolkien, ein Buch, das ich schon drei mal gelesen habe. Es gehört für mich zu den besten Geschichten überhaupt. Im englischen Original hat es zusätzlich zu der Erzählkunst Tolkiens noch seine sprachliche Virtuosität zu bieten: Tolkien schreibt in einem Englisch, das sich für den modernen Leser “alt” anfühlt, das viele Begriffe und Wendungen enthält, die man zwar noch kennt, die aber heute nicht mehr benutzt werden, so dass man sich intuitiv in eine legendenhafte Zeit versetzt fühlt.
Wie schlicht und schön man Sprache verwenden kann!
Meine neueste Entdeckung ist Paul Graham, der nicht nur ein hervorragender “Hacker”, sondern auch ein erstklassiger Essayist ist. Age of the Essay ist ein brilliantes Beispiel. Graham benutzt eine klare, einfache Sprache, um tiefsinninge Gedanken auszudrücken. Fast liest man schon weiter, wenn man entdeckt, welch radikal wahre Aussage er gerade getroffen hat. Ein Beispiel aus What you can’t say
It’s the nature of fashion to be invisible.
Ein Paradox nur auf den ersten Blick.
Ich war so begeistert von seinen Essays, dass ich sein neues Buch Hackers & Painters bestellt habe. Die ersten beiden Essays habe ich schon genossen.
Nur Worte auf Papier. Und doch so viel mehr!
Samstag, 02. April 2005
Verzetteln
In seinem Buch The Seven Habits of Highly Effective People fragt Steven Covey den Leser:
Was in Ihrem Leben würde die größte positive Veränderung bewirken, wenn Sie es ändern würden?
Bei mir ist es das Verzetteln. Wenn ich es schaffen würde, mich ganz auf eine Sache zu konzentrieren, diese konsequent zu erledigen und erst dann an die nächste Aufgabe zu gehen, wären meine Arbeitsabläufe entspannter und ich wäre zufriedener.
Ich erledige trotzdem meine Arbeit. Aber ich tue es auf eine oft unkoordinierte, mäandrierende Art. Ein paar Minuten dies, dann kurz die Mails nachsehen, einen Tee kochen. Zurück an den Schreibtisch. Weiterarbeiten. Aus dem Fenster schauen. Weiterarbeiten. Die neuesten Newsfeeds lesen. Weiterarbeiten.
Das ist ermüdend. Und es hinterlässt am Ende des Tages ein Gefühl der Ineffektivität. Das Gefühl, ich hätte schon zwei Stunden früher fertig sein können und dann entspannt und mit gutem Gewissen die Newsfeeds, eMails und Websites oder ein Buch lesen können.
Steven Coveys Buch hat noch andere interssante Anregungen parat. Es liegt immer noch auf meinem Nachttisch und ich nehme es immer wieder zur Hand.
Es ist noch ein langer Weg.
Donnerstag, 17. Februar 2005
Was man beim Lehren lernt
Als Lehrer hat man es gut. Man weiß über den Stoff bescheid und die armen Schülerchen müssen das ganze Zeug reinpauken.
So oder ähnlich stellt man sich das Lehrerdasein vor. An der Uni hat man sich das nötige Fachwissen angeeignet, um es anschließend für den Rest seines Berufslebens an die Schüler weiterzugeben.
Diese Vorstellung hat nichts mit der Realität zu tun.
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie viel Neues man über ein Thema lernt und lernen muss, wenn man sich darauf vorbereitet, es anderen beizubringen. Sicherlich erwirbt man im Laufe des Studiums eine Menge Wissen über seine Fächer, doch schon nach wenigen Wochen an der Schule wird klar, dass hier ganz anderes Wissen nötig ist. Einen Sechstklässler interessiert es nicht, welche Merkmale von Tieren für die Einordnung in einen evolutionären Stammbaum herangezogen werden. Ganz zu schweigen von der Frage, ob dieses System phylogenetisch, kladistisch oder sonstwie aufgebaut ist. Nein, ein Kind fragt einfach, ob denn die Schildröte mit der Erdkröte verwandt ist, wo doch beide “Kröte” heißen.
Diese Frage ist bestechend einfach und aus Kindersicht geradezu zwingend. Aus der Sicht eines Biologen ist sie—sagen wir einmal—unerwartet. Und unerwartet steht man da und weiß keine befriedigende Antwort. Natürlich hat die Schildkröte nichts mir der Erdröte zu tun, schließlich ist die eine ein Reptil und die andere ein Amphib. Für einen Sechstklässler ist das aber keine befriedigende Erklärung. Und da ist der Lehrer dann etwas hilflos und zugleich fasziniert von der Kraft unkonventioneller Sichtweisen.
Doch es braucht keineswegs ein akademisches Fach, um festzustellen, dass das Lernen nie zu Ende ist, dass es nie zu Ende sein darf. In den letzten Tagen habe ich für eine Schulklasse einen Kurs über den Einstieg ins Webdesign gegeben. Die Schüler sollen zu ihren Referaten eine kleine HTML-Seite erstellen, die wir dann als Miniwebsite ins Netz stellen.
Bisher dachte ich, dass ich mich mit Webdesign gut auskenne. Bei der Vorbereitung auf den Kurs kamen dann aber immer wieder Fragen auf, die ich persönlich immer in den Hintergrund gedrängt hatte. “Was bedeuten eigentlich die Zeichenfolgen im DOCTYPE?” oder “Welche XHTML-Elemente können denn welche anderen Elemente enthalten?” Man kann sich intensiv mit Webdesign beschäftigen, ohne eine konkrete Antwort zu wissen. Der DOCTYPE wird kopiert oder vom Editor eingefügt, die Erfahrung oder die Konvention sorgen dafür, dass man bestimmte Tag-Kombinationen benutzt und der Validator bestätigt die Richtigkeit.
Schüler neigen aber dazu nachzufragen. Und weil man das schon nach kurzer Zeit als Lehrer merkt, ist jede Vorbereitung mit Nachforschen, Wissenerweitern und Fragenvorausahnen verbunden.
Ich erinnere mich an eine Besprechung mit einem Geographieprofessor. Wir unterhielten uns darüber, wie man Wissen aufbereitet und was man dabei lernt. Ein Satz ist mir heute noch präsent. Er sagte: “Das Allermeiste von dem, was ich heute weiß, habe ich in der Lehre gelernt.”
Und das ist das Schöne daran!
Freitag, 07. Januar 2005
Der User—das unbekannte Wesen
Man kann das Web sehr effektiv nutzen. Man benutzt einen Browser wie Opera oder Firefox, den man sich im Laufe der Zeit so anpasst, “twiikt” und gestaltet, dass er genau den eigenen Surfgewohnheiten entspricht. Man hat Extensions, Mausgesten, Tastaturkürzel, Tabs und was sonst noch alles. Man ist so viel im Web unterwegs, dass man schon genau weiß, dass in der Regel das Logo zurück zur Startseite führt, man erkennt sofort, wenn eine Website ein neues Fenster geöffnet hat, weil das ja als neuer Tab in der Tableiste erscheint, ohnehin passiert dies nur bei wenigen Sites, da der Popup-Blocker ja seit langem zum Standard gehört. Wenn man auch noch Websites designt, fließen all diese Erfahrungen in das Design.
Das Problem ist nur, dass eine Minderheit der Leute so surft.
Die meisten “normalen” User benutzen den Internet Explorer, schlagen sich mit Popups rum, sind völlig verwirrt, wenn ein neues Fenster in voller Größe aufgeht und verstehen nicht, warum in diesem der Back-Button nicht funktioniert. Selbst wenn sie einen Browser mit Tabs verwenden, ist ihnen das Konzept oft nicht eingängig bzw. sie wissen gar nicht um das Potential dieser Technik. Wie man auf verschiedenen Sites navigiert, müssen sie jedesmal aufs Neue herausfinden, weil ihre Besuche im Netz nicht mehrmals täglich, sondern allenfalls mehrmals monatlich stattfinden. Sie verstehen nicht, warum manche Links ein Symbol haben, das einen Pfeil zeigt, der aus einem Kästchen weist. Sie ignorieren es, weil es ihnen ohnehin egal ist, ob ein Link “intern” oder “extern” ist, denn sie surfen nicht auf bestimmten Sites, sondern im Internet.
Meine Schlussfolgerung aus den hier geschilderten subjektiven Beobachtungen der letzten Wochen ist, dass man als Webdesigner versuchen sollte, regelmäßig “normale” User beim Surfen zu beobachten. Man muss keine Usability-Studien veranstalten. Es genügt, Eltern, Freunden, wem auch immer einfach nur beim Surfen zuzusehen und man wird an einige Probleme erinnert, die man selbst schon vor Jahren gelöst hat.
Das Bewusstsein um solche Probleme ist aber meines Erachtens ungeheuer wichtig, wenn man Sites erstellt. Nur allzu leicht wird ein Design sonst zum weißen Elefanten: hübsch anzusehen und gut geeignet, um damit anzugeben, aber leider völlig nutzlos für diejenigen, die es nutzen sollen.
Dienstag, 19. Oktober 2004
Zurück im Schoß der Muttersprache
Alle, die es ohnehin gesagt hatten und alle, die es sowieso gewusst haben, können es nun sagen: “Ich hab’s ja ohnehin gesagt. Ich hab’s ja sowieso gewusst.”
Ich bin nach einem kurzen Ausflug ins Englische auf diesem Weblog wieder zur deutschen Sprache zurückgekehrt. Ich habe weiterhin das Bedürfnis, mehr Englisch zu schreiben, doch die Rahmenbedingungen von ak|weblog sind dafür nicht ideal. Ich möchte doch häufiger als gedacht auf deutsche Ressourcen verweisen, auf aktuelle Beiträge anderer deutscher Blogger reagieren und Materialien in deutsch zur Verfügung stellen.
Mein Wechsel zum Englischen war recht spontan und nicht in allen Konsequenzen durchdacht. Die Einsicht kam später, die Konsequenz daraus kommt jetzt.
Ihr dürft mir jetzt also die Zunge rausstrecken und alle laut “bähh” rufen!